Vor meinem Fenster wächst ein Rahmen aus gepflanzten Sträuchern, Ahornblättern und rankendem Wildwuchs, der ursprünglich auch nicht geplant war. Mein Blick ist frei auf die Balkone der Nachbarhäuser schräg hinten. Eine hohe Birke ragt über kleiner Wiese neben den Stufen zum nächsten Häuserblock. Ich sehe die Dächer der Autos, Köpfe der Menschen gehen den Weg, auf dem sie parken. Ich höre Schritte, Stimmen und sehe Nichts. Es gibt nur diesen Blätter-Rahmen, alles Andere ist Grün.
Die Nachbarin von nebenan, die ihren Garten mitnahm, wohnt jetzt mit so einem Balkon schräg hinten. Ob ich will oder nicht sehe ich sie mehr als vorher, immer wenn ich aus dem Fenster schaue.
Sie hat Besuch. Ich glaube, sie spielen Karten. Sie sitzen sich gegenüber, hinter den Balkon-Erdbeer-Blumenkästen – von mir aus gesehen. Beide beugen sich abwechselnd leicht vor. Eine gelbe Fliegenklatsche hängt kurz in der Luft.
Nebenan ist niemand mehr. In meinem Haus sind noch zwei Wohnungen belegt. Zwei von fünf. Ich öffne die Haustür und es riecht nach alt und nach leer. Der Geruch kam gleich. Innerhalb einer Woche, nachdem die Nachbarn gegangen sind – für immer zurück. Die Leere scheint aus dem Keller zu kriechen – langsam bis in den 1. Stock. Zu uns, wenn uns sind, die noch bleiben.
Die Bauarbeiter haben die Schotterhaufen der alten Häuser mitgenommen. Jetzt gibt es dort drei Negative von Haus im Brachland. Da riecht es nicht mehr nach alt und leer. Vielleicht ist der Geruch gewandert, von dort zu uns.
Viktor, der Erdbeermann, bringt immer noch Erdbeeren vom Bodensee. Die Felder hier sind längst abgeerntet und geschlossen. Die Zäune weg, die Zeit war kurz. Zu hart war der Frost während der ersten Blüte.
Die Hitze hat nachgelassen. Es weht Dauerwind. Das Grün rauscht nach Meer.