Das Haus erinnert mich an ein Wesen im Todeskampf. Immer wieder hustet es Stücke aus seinen Fenstern, die mittlerweile Löcher sind. Große Auswurf-Haufen liegen schon unten. Seine Wände zersetzen sich, bekommen Lücken. Faszinierend auch, wie schwer das Haus es den Arbeitern macht, es zu zerstückeln. Sie kommen nur langsam voran mit ihren Presslufthammern, Vorschlaghammern, Brecheisen, Steinsägen. Sie balancieren angeseilt über Löchern im Fußboden. Es staubt in kleinen und großen Wolken, während sie die beiden vor Jahren miteinander verbundenen Blocks trennen. Das Haus hat noch Kraft und setzt sich zur Wehr. Aber es wird natürlich erliegen. Die Beharrlichkeit der Menschen, es zu zerstören, ist zu groß. Das Dach ist schon halb abgedeckt. Schnee liegt im Treppenhaus. Es rumst und poltert in seinem Inneren, es stöhnt und dröhnt. Heute, schätz ich, werden große Wandstücke fallen und viel von seinem Innenleben freigeben. Spätestens nächste Woche, wenn der Bagger kommt. Schlafzimmertapeten, blau gemustert, Poster-Reste, ein Schlüsselbrett, beklebte Fliesen, wo einmal die Küche war, eine Badewanne. Die in die Wand eingelassene Seifenschale ist von unten gar nicht zu sehen, aber ich weiß, dass sie da ist…war. Ich gehe wieder hin. Es ist der 5. Tag. Es soll hinterher nicht heißen, das Haus sei völlig widerstandslos gefallen, sozusagen auf einmal nicht mehr dagewesen. Nein, so war es nicht, ich bin Zeugin!
Ava Smitmans, Februar 2013
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